Donnerstag, 24. Oktober 2019

Dunkler Prophet im Untergrund: Theo Loomans und die Frühzeit von Asphyx.

Die niederländische Band Asphyx ist eine kultisch verehrte Instution und Frontmann Martin van Drunen gilt heutzutage als DAS Aushängeschild des Todesmetalls alter, brutaler Schule. Asphyx hat auch eine wechselvolle, abenteuerliche Geschichte hinter sich mit mehreren Auflösungen, Wiedervereinigungen und einer beeindruckenden Diskographie von insgesamt 10 Releases (Demos, Singles und Compilations nicht mitgezählt).

Wir wollen uns heute - quasi archäologisch - mit der Frühzeit dieser Band beschäftigen, und mit einer legendären Persönlichkeit, die noch vor Van Drunen mit Asphyx Death Metal-Geschichte geschrieben hat.




Diese Persönlichkeit ist der Bassist, Gitarrist und Sänger Theo Loomans, der heutzutage ziemlich in Vergessenheit geraten ist. Das hat damit zu tun, daß Asphyx zu Beginn der 1990er-Jahre echter Untergrund waren - und damals wurden die (Demo)-Tapes solcher Bands hauptsächlich zwischen den Fans getauscht; Infos gab es ausschließlich in den zahllosen, liebevoll in Handarbeit hergestellten Fanzines.

Deswegen gibt es auch kaum Fotos von dem 1998 verstorbenen Musiker, und auch zu seinem Leben gibt es nur sehr wenig Informationen, die man sich noch dazu äußerst mühevoll zusammensuchen muß. Dadurch gerät seine Person aber auch in ein mystisches Licht, das morbid veranlagte Nerds wie mich absolut magisch anzieht.


Hier zu dem wenigen, was man heute noch weiß: Der 1971 geborene Theo Loomans stieß 1989 zu der zwei Jahre vorher gegründeten Band Asphyx, verließ sie bereits 1990 wieder und kehrte 1995/96 kurz zu dem eigentlich bereits aufgelösten Projekt zurück, um quasi fast im Alleingang (nur mit Hilfe von Drummer Bob Bagchus) eine damals unter Fans recht kontrovers aufgenommene LP einzuspielen.

Gemessen am Alter von der Band hat Loomans also nur eine marginale Rolle gespielt. Das gilt allerdings nicht für das von ihm komponierte und aufgenommene Material: Das 1989er-Demo “Crush the Cenotaph”entwickelte sich zum Beispiel zum Untergrund-Hit und wurde als Kassette über 5000 mal verkauft. Und mit der 1990 aufgenommenen Platte “Embrace the Death” (die allerdings erst über 5 Jahre später veröffentlicht werden sollte), schuf er ein Werk, das als einer der brutalsten, finstersten Releases jener Zeit galt und noch heute unter echten OSDM-Connaisseuren für Erschütterung sorgen mag.


Die Persönlichkeit von Theo Loomans ist nahezu unbekannt. Aus den wenigen Anekdoten seiner damaligen Kollegen weiß man, daß er eine eher finsterer Geselle gewesen zu sein scheint, der sich sehr ernsthaft mit Okkultismus und Satanismus beschäftigte und seine Philosphien auch massiv in sein Songwriting einfliessen ließ. Das scheint ihm auch nicht wirklich gut getan zu haben - sein Geisteszustand scheint ab 1996 sehr zerrüttet gewesen zu sein. Am 15. August 1998 wurde sein Auto auf einem Bahnübergang von einem Zug erfasst, der 27-jährige war auf der Stelle tot. Ob es eine Verkettung unglücklicher Umstände war, oder Loomans seinen PKW absichtlich vom Zug rammen ließ, war nicht zu eruieren - laut Freunden war es aber sehr wahrscheinlich, daß Loomans Selbstmord begehen wollte.

 
Was bleibt, ist sein Werk - das ist zwar schmal, aber auf jeden Fall ziemlich beeindruckend. Zum Beispiel der Release “Embrace the Dead”: Der wurde von Asphyx zwar bereits 1990 eingspielt, erschien aufgrund von Schwierigkeiten mit einem obskuren englischen Label erst 1996 und gilt heute - zumindest unter den Fans der Frühzeit - als absolutes Kultwerk. Die Songs haben eine Härte und Unnachgiebigkeit, wie sie wohl viele junge Bands des heutigen “Brutal Death Metal”-Style niemals erreichen könnten, auch wenn sie noch so viel Riffs, Maschinenbeats und sonstige Tricks in ihre High Tech-Produktionen packen. “Embrace the Dead” ist brachial und roh wie ein grober Holzschnitt - und Loomans hat seine sinistren Botschaften mit einer Intensität eingebrüllt, wie sie selbst Martin van Drunen mit seinem außergewöhnlichen Growl-Organ kaum jemals erreicht hat.


Und dann ist da noch “God Cries” - aufgenommen zu einer Zeit, als es Asphyx eigentlich gar nicht mehr gab. Die hatten zuvor(mit Van Drunen als Sänger, Bassist und Songwriter) bereits einige Alben aufgenommen (“The Rack”, “Last One on Earth”, “Asphyx”) und ihren speziellen Death/Doom-Stil erfolgreich etabliert, sich aber dann wieder einmal aufgelöst. Wie genau es zu den Aufnahmen mit Loomans und Bob Bagchus kam, ist leider nicht mehr genau zu recherchieren, auch nicht, wer von den beiden auf die unselige Idee kam, den Release unter dem Namen “Asphyx” zu machen.


“God Cries” verschreckte dann auch prompt alle damaligen Fans: Es ist eine wütende, heftige Platte, die viel mehr an brutalen Hardcore von Peter Steele's Carnivore oder den Trash-Metal jener Dekade erinnert als an konventionellen Death Metal. Loomans zeigt darauf seine Fähigkeit zum Songwriting mit ungewöhnlichen Riff-Strukturen (wobei sein Talent definitiv nicht bei den - gottseidank - überschaubaren Gitarrensolos zu finden ist). Und der... “Gesang” - der erinnert wirklich an ein wildes Tier im letzten Stadion von Tollwut; selten habe ich agressiveres Gebrüll, ja eher schon inhumanes Gebell an der absoluten Schmerzgrenze der Aushaltbarkeit gehört.



Man kann nur spekulieren, inwiefern die innere Welt von Loomans diese unfassbare Wut, diesen unnachgiebigen Zorn, diesen absoluten Welthass beeinflusst hat - das ist eben wahrer Death Metal, und keine Pose. Es gibt übrigens noch ein Projekt von Loomans, Swazafix, dessen verschollene Demosessions aus den Jahren 1991-92 vor einigen Jahren vom holländischen Label VIC remastered und als CD unter dem Titel “Anthems of Apostasy” herausgebracht wurden.

Meiner Meinung nach sind diese Songs allerdings ausschließlich von historischen Wert, denn die paar hektischen und weird klingenden Aufnahmen zeugen für mich eher von der Verwirrung eines jungen Künstlers, dessen zerfallender Geist vielleicht einfach nicht mehr fähig war, die ihn heimsuchenden immensen Visionen in reale Musik umzusetzen.



Gleich nach dem erneuten Zerfall von Asphyx im Jahr 1996 gründete sich übrigens das vorherige Line-Up unter dem Namen Soulburn neu, um kurz darauf wieder als Asphyx weiterzumachen und sich im Jahr 2000 wiederum aufzulösen. Aber zumindest seit 2007 gibt es nun endlich eine (relativ) stabile Besetzung, großartige Releases und unvergessliche Liveauftritte, so wie sich das auch gehört für eine Kultband von diesem Kaliber.


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