Freitag, 4. Oktober 2019

Gründerväter: Bolt Thrower - Those Once Loyal.

Das hier ist einer der definitiven Höhepunkte des gesamten Death Metal-Genres. Denn was die britische Band Bolt Thrower 2005 auf ihrem Schwanengesang "Those Once Loyal" abgeliefert hat, ist schlicht und einfach pure Perfektion. Eine der großen Weisheiten der Popkultur lautet zwar: "Writing about music is like dancing about architecture – it’s a really stupid thing to want to do" (¹), aber gerade dieser Release zwingt dich dazu, in architektonischen Kategorien zu denken. 


Da wäre zum Beispiel die perfekte Symmetrie im Aufbau jedes einzelnen Songs, welcher sich wiederum als Bauteil perfekt in eine übergeordnete Ordnung eingliedert. Und jedes Segment ist mit einer unglaublich wuchtigen Säule zu vergleichen, die im Verbund mit den anderen Pfeilern die in Stein gegossene Gesamtkunst dieses gewaltigen Werks trägt. 

Variationen, die sucht man bei Bolt Thrower vergeblich. Gegründet haben sie sich 1986 in Coventry, England; entsprungen aus dem Fantum der jungen Musiker für die Punk/Hardcore-Legenden Crass und Discharge (wie fast jede DM-Band der damaligen Zeit) hatte die Band das grosse Glück, von Radiolegende John Peel (ein bekennender Fan) gepusht zu werden und fand bald ihre Heimat auf dem Kultlabel Earache Records

Der spätere Wechsel zu Metal Blade Records und der Austausch von Bandmitgliedern (gering im Vergleich zu allen anderen DM-Bands) waren die einzigen Veränderungen in der 30-jährigen Karriere Bolt Throwers. Und die musikalische Formel war bald gefunden, und sollte sich auch für die nächsten acht Studioalben (incl. diverser EPs, Livealben und Compilations) nicht mehr verändern.


Das klingt natürlich nicht besonders spannend, eher nach Langeweile und Stillstand - und könnte der Realität nicht ferner sein. Denn diese Formel wurde von Song zu Song, von Release zu Release verfeinert, modifiziert, optimiert. Bolt Thrower waren bald eine eng zusammengewachsene Einheit, eine dröhnende, polternde Riesenmaschine, deren Einzelteile so vortrefflich ineinander griffen, daß das Endergebnis (straighter Death Metal) eine unfassbare Wucht erzeugte, wie man sie im gesamten Genre selten findet. 

Nach dem Release von "Those Once Loyal" dürfte den Musikern vielleicht schon klar geworden sein, daß sie es nicht mehr besser hinkriegen würden; und in der Tat wurden die Kompositionen und Demo-Aufnahmen danach verworfen. 2008 schließlich wandte man sich mit einem ziemlich einmaligen Statement an die Öffentlichkeit: "We've spent the last year trying to write songs for a new album, planning to go into the studio this summer. Unfortunately, after a lot of thought, we have had to make the difficult decision to postpone the recording indefinitely. We know everybody says that their new album is better than their last, but with us we really believed that. From day one we made it clear that we'd stop recording when we felt we'd written the ultimate Bolt Thrower album; we just never knew when that would be. We kind of took for granted that each release would get better and better. But we have realized now that our last release, 'Those Once Loyal', turned out to be that album, and basically the new stuff we have written just doesn't match up to it. We have a lot of pride in our back catalogue, and we refuse to turn into one of the many bands (like the ones we grew up listening to) who end up releasing crap, and we're also not prepared to compromise by instead releasing an album of cover versions or a 'best-of' album." (²)


Was übrigblieb, waren ein paar rare Konzerte, wenn man die Zeit dazu fand (man darf ja nicht vergessen, das selbst die Mitglieder einer so legendären Band wie Bolt Thrower keine Millionäre waren, sondern ganz normal arbeitende Menschen).Als Drummer Martin Kearns 2015 überraschend verstarb, war das ein willkommender Anlass, einen Schlusspunkt zu setzen, und der kam dann auch am ersten Todestag via Botschaft auf der Bandhomepage. Es gibt zwar ein Nachfolgeprojekt, Memoriam (Ein Zusammenschluß von diversen ehemaligen Bolt Thrower- und Benediction-Veteranen) darüber wollen wir hier aber lieber den Mantel des Schweigens breiten. 

Stattdessen höre ich lieber "For Those Once Loyal", und das immer wieder von vorne - denn diese Platte ist tatsächlich so dermassen gut, daß ihr Genuss niemals schal wird. Alleine die unheilvollen Fanfarenklänge zu Beginn - Gänsehaut pur! Und wenn die riesige Dampfwalze dann Fahrt aufgenommen hat, gibt es nichts mehr, was sich dieser puren Urgewalt in den Weg stellt; es würde einfach plattgewalzt. 



☠☠☠


¹ Ein Zitat, das wahlweise Frank Zappa oder Elvis Costello zugeschrieben wird. Das ist definitiv falsch. (Quelle)

² http://www.blabbermouth.net/news/bolt-thrower-new-album-recordings-postponed-indefinitely/

<docN>